Auf den Hund gekommen
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19. Dezember 2020Ein Blick in die Gartenherzen
Hecken haben etwas Beschützendes, das Geborgenheit gibt, bieten Lärm- und Windschutz noch dazu. Hecken können aber auch isolierend, begrenzend und abweisend sein. Wollen wir das? Ich glaube ja: Die Höhe der Hecken ist das Maß aller Dinge.
Man betrachte nur die übermannshohen Hecken am See – derselbe ist für alle da, man kann ihn nicht besitzen. Und so auch das ganze Umland: landauf, landab, ein Fahren und Wandern unter grünen Heckenschluchten, nur zum Himmel hin einen Spalt geöffnet. Ist das unsere Welt?
Und so sieht es in der Praxis aus, in den Dörfern und Siedlungen: Hecken begrenzen den Lebensraum, Straßen von links und rechts wie eingemauert von den glatt geschorenen Gewächsen wie Gefängnisbahnen. Die Wege und Gassen, die Lebensadern in der Orte Herzen, sind mit Thujenheckengewächsen wie verkalkt – die Adern wirken stumpf und leblos, sind der Orte Infarkt.
Hecken, Häuser und Gärten sind doch ein Teil der Landschaft – Baukultur und natürliches Umfeld sollten eine Einheit bilden. Doch die Fenster der Häuser wirken wie die traurigen Augen der Landschaft – der Rest der Fassaden wie in Coronazeiten vermummt, durch immergleiche Hecken keine individuelle Mimik mehr zeigend.
Die Schwere und Wuchtigkeit der hohen Hecken sind oft erdrückend. Bei Neuansiedlungen ist die gesetzliche Heckenhöhe im Gemeindebereich auf 1,5 Meter festgesetzt, die alten Hecken dürfen weiterwachsen über Generationen. Wo ist da die Gerechtigkeit? Das erzeugt verständlicherweise böses Blut. Ich kann ja verstehen, dass die Besitzer die gewohnte Heckenkultur bewahren wollen. Aber die Höhenentwicklung der Gewächse, wie ist sie in den Griff zu bekommen? Gesetze, Verbote und Strafen sollten die allerletzten Mittel sein, um das Berger Land und Umland wieder in Stimmigkeit und Schönheit entstehen zu lassen.
Deswegen bitte ich Euch, Ihr Garten- und Heckenbesitzer, lasst Euch diese Zeilen durch Kopf und Herz gehen:
Eure Gärten und Hecken sind ja nicht nur Heimat für Euch, sie sind auch Heimat für die an der Straße Vorbeiziehenden, ob zu Fuß, per Rad oder Auto. Lasst sie teilnehmen an Eurer gärtnerischen Blumigkeit, Persönlichkeit und Charakter. Macht auf Eure noch begrenzten Gartenherzen – der Garten wird Euch nicht davonlaufen. Wollt Ihr Euch nicht auch erfreuen am Anblick anderer Gärten?
Eine Willkommensalternative für die so unnatürliche Exaktheit der Hecken, die mit ihrem zentimetergenauen Schnitt gerade wie eine Latte in die Höhe ragen, wären blühende Büsche und Sträucher, malerisch gerade in ihren Herbstfarben. Wie schön es wäre, würden sie auch noch offen stehen und einen Einblick geben in Eure herrlichen Gartenlandschaften und selbst erschaffenen Paradiese! Der Vorbeiziehende würde rufen: „Hallo, wie geht’s Herr und Frau Nachbarin? Schön haben Sie es hier!“ – Und schon würde das gegenseitige menschliche Miteinander wieder einen höheren Stellenwert bekommen in der ganzen Gemeinde.
Also, lasst fallen Eure glattgeschorenen Wände, neben denen sakrale Wächter und das weißblau geringelte Emblem des Maiens fast keine Chance haben, sich zu repräsentieren (darüber wäre auch Ludwig traurig)! Der Abfall wird klimaneutrale Energie. Zeigt Euer wahres Gartengesicht – und auch wenn der Anblick mal nicht so erfreulich ist: Geschmäcker sind eben verschieden und die Mischung macht’s.
Nun bedanke ich mich im Voraus für Euer Verständnis und Eure Offenheit und – wenn auch erstmal nur gedanklich – für den Verzicht auf Eure gewohnten, übermäßig hohen Gartenbegrenzungen.
Es grüßt herzlich Euer in Zukunft freudig in Eure Gartenherzen blickender
Stefan Mair